Stubengasse Stubengasse
Foto: Peter Leßmann

Geschichte

Aus Gassen werden Wege

Die Gasse 

Der Verlauf der Stubengasse sieht aus der Luft T-förmig aus. Auf dem dreieckigen Platz fügen sich zwei Gebäudekomplexe ein. Zwei Seiten der Stubengasse umschließt die Loerstraße, zur Innenstadt hin grenzt die Stubengasse an die Kaufhäuser Karstadt und Kaufhof. Auf dem Platz treten Kleinkünstler auf, treffen sich Demonstranten, Musiker oder sonstige Veranstalter für Kundgebungen.

Stadtgestalter: Architekt Matthias Fritzen und Stadtdirektor a.D. Hartwig Foto: Peter Leßmann
Stadtgestalter: Architekt Matthias Fritzen und Stadtdirektor a.D. Hartwig Schultheiß (von links) platzieren sich in der Stubengasse, die vor zwölf Jahren ihr neues Gesicht bekam.

Die Geschichte

Vor dem Umbau suchten von 1997 bis 1999 Archäologen nach Spuren aus der Vergangenheit. Sie entdeckten Hinweise auf Gebäude, Brunnen und Entwässerungsgraben aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Das Areal gehörte also zum frühen Münster. In den Häusern wohnten Bürger und Handwerker sowie Agenten, Metzger, Sekretäre, Kaminfeger, Krämer, Fassbinder, Schreiner, Drechsler und Schuster.

1619 entstand im Süden der Stubengasse das Klarissenkloster, das später das Große Armenhaus und dann die Hautklinik der Universität beherbergte. 1732 stiftete Fürstbischof Clemens August viel Geld für ein Kloster inklusive eines Hospitals. Münsters Super-Architekt Johann Conrad Schlaun war bis 1754 am Werk, davon gibt es nur noch den Retro-Nachbau der Clemenskirche.

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Gasse wie die übrige Stadt eng bebaut. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben das dreieckige Stadtquartier. Lange wurde in der Stadt debattiert: Soll die Freifläche – eine der letzten Kriegszeitbrachen – bleiben oder ist das ein idealer Platz für ein Konzerthaus, einen Vorläufer des heute diskutierten Musik-Campus? Es kam 1992 zum Städtebaulichen Ideenwettbewerb: Der Hochtief-Konzern plante fünf Gebäude für den Stubengassenplatz, scheiterte aber Ende der 1990er Jahre.

Anfang der 2000er Jahre kam es zum Neuanfang, die Stadt formulierte auf Basis öffentlicher Diskussionen und Gespräche mit dem Handel städtebauliche Bedingungen und Ziele für einen Investorenwettbewerb. Den Wettbewerb konnten 2004 das Architekturbüro Fritzen + Müller-Giebeler gemeinsam mit dem Aachener Architekten Ernst Kasper und dem Investor Harpen aus Dortmund gewinnen.

Die Stubengasse Foto: Peter Leßmann

Wir haben uns vor Ort mit dem ehemaligen Stadtdirektor Hartwig Schultheiß und dem Architekten Matthias Fritzen getroffen. Beide waren maßgeblich an der Umgestaltung beteiligt. „In den 1990er Jahren war die Stubengasse eine No-Go-Area“, sind sie sich einig. Billigläden und Parksuchverkehr prägten die „autobetonte Wüste“, der Rückstau reichte bis zur Von-Vincke-Straße. „Böse Zungen behaupteten“, so erinnert sich Hartwig Schultheiß, „dass samstags die Männer im Auto saßen, während ihre Frauen zum Einkaufen gingen – und weil sie selten Lust zum Einkaufen hatten, taten die Männer so, also ob sie keinen Parkplatz finden würden und kurvten Runde um Runde, während sie Autoradio hörten.“

Musiker in der Stubengasse Foto: Peter Leßmann
Stellvertretend für alle Künstler: Der münstersche Klavierlehrer Peter Thiemann spielte am Tag der Recherche zum ersten Mal auf einem öffentlichen Platz. Große und kleine Zuhörer freuten sich über das spontane Konzert.
Über den Dächern der Stubengasse Foto: Peter Leßmann

2009 stand dann die Gasse so, wie wir sie heute erleben: Das Herzstück der Stubengasse sind zwei Hauptgebäude mit springender Fassade, damit die Bauten weniger dominant wirken. Trotzdem empfindet mancher Münsteraner diese als sehr wuchtig. Der Stubengassen-Parkplatz fiel weg, ebenso das Horten-Parkhaus, das längst in die Jahre gekommen war und mit dem Linksverkehr die Autofahrer verwirrte. Dass der Bau heute Möbelgeschäft, Radstation und Wohnungen beherbergt, scheint kurios. „So haben wir mit der Verkehrswende 2001 begonnen“, interpretiert Hartwig Schultheiß. „Das hat den Stadtraum maßgeblich aufgewertet und für den Fußgänger erlebbar gemacht.“ Die Tiefgarage mit den 300 Plätzen hat die Zufahrt von der Loerstraße aus. Schaut man von der Klemensstraße aus in den Platz, so erklärt Matthias Fritzen seine architektonischen Gedanken: „Die Linie zieht sich so in den Platz, dass die verbliebene Platane voll in Szene gesetzt wird.“ Der Baum hat sich vom ehemaligen Parkplatz gehalten und ist auf dem Hauptplatz mit den Dachgärten das einzige Grün. „Das wollten wir so, es sollte ein urbaner und sehr offener Platz sein“, sagt Hartwig Schultheiß. „Es wird gut angenommen, hier ist immer Leben.“ Froh sind die beiden um das Hotel und die Wohnungen, die die Stubengasse auch nachts beleben. Funktionsmischung mit Einzelhandel und Gastronomie ist der Auftrag an den Städtebau, und den empfinden beide als gelungen.

Der Name 

Im sogenannten Alerdinck-Stadtplan von 1636 steht noch „Stubenstegge“ – hier sollen zwei Badestuben gestanden haben, die vom Mittelalter an bis ins 17. Jahrhundert existierten. Laut Katasteramt wurde die Gasse im Volksmund nach dem Kloster auch „Klarissenstiege“ genannt.

Foto: Peter Leßmann
Das grüne Entrée von der Loerstraße aus zur Stubengasse: Bewusst gestalteten die Architekten diesen Teil der Gasse mit Nachbarschaft zur Clemenskirche als die ruhige Seite.
Foto: Peter Leßmann

Die Verbindung heute 

Stadtdirektor a. D. Hartwig Schultheiß erklärt die Wege der Innenstadt vor dem Stubengassenumbau: „Es gab drei Einkaufsstraßen: Den Prinzipalmarkt, die Ludgeristraße und die Salzstraße – jede stand für sich und war für den Flaneur wie eine Sackgasse.“

Das Ziel war, neue Wege durch die Stadt zu schaffen und den Bürgern ein Stück Stadt zurückzugeben. Die Stubengasse selbst lässt sich in Nord- Süd- genau wie in Ost-West-Richtung zu Fuß und mit dem Fahrrad überqueren. Dazu entstand mit dem Hanse-Carré die Beginengasse. Sie und die Klarissengasse sind die Verbindungen zur Ludgeristraße. Über die Loerstraße und die Loergasse kommt man zur Salzstraße. Über die Klemensstraße zur Rothenburg oder unter dem Stadthaus durch, über die Gruetgasse zum Prinzipalmarkt. So wurden in der Stadt Rundläufe zwischen den drei großen Einkaufsstraßen möglich. Die Passanten müssen nicht immer dieselben Wege gehen, sondern können variieren. „Kleine Gassen schaffen Behaglichkeit und Atmosphäre“, sagt Schultheiß. Und sie machen aus Gebäuderückseiten Vorderseiten.

Die Besonderheit 

Die Stubengasse ist Preisträgerin: Die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung vergab im Jahr 2010 den Deutschen Städtebaupreis unter 65 Bewerbern an Münster – für die Umgestaltung der Stubengasse und das benachbarte Hanse-Carré. „Damit würdigte sie den erstklassigen Umgang mit der städtebaulichen Situation und Transformation“, kommentiert Hartwig Schultheiß..

Die Geschäfte

Bei Freddy bekommt man eine Bratwurst, bei Starbucks und Floyd Kaffee. Das Hotel H4 trägt mit den Dachgärten zum Charme des Platzes bei. Es gibt Einzelhandels-Filialen von New Yorker, Tom Taylor, Esprit oder – neu – Sport Scheck. Vor Ort sind Deutsche Bank und PSD-Bank – apropos Bank: Vor dem Café Bar Celona zieht sich unter der Platane eine Parkbank in die Länge, ein perfekter Treffpunkt im Schatten.

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